13
Nov
2020
In den medien Das Ifri in den Medien

Häh? Pardon? Deutsch-französische Beziehungen: Wiederkehrende Missverständnisse

Achtung, Binsenweisheit: Es braucht das deutsch-französische Gespann, um die EU voranzubringen. Doch Paris und Berlin verstehen einander nicht.

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François Mitterrand galt als der letzte Bainville-Anhänger. Nach dem ersten Weltkrieg gehörte Jacques Bainville zu jenen französischen Historikern und Journalisten, die sich für eine territoriale Aufspaltung Deutschlands aussprachen. Diese Idee zog sich im 20. Jahrhundert streckenweise durch die französische Außenpolitik gegenüber Deutschland, auch wenn sich die zuständigen Autoritäten nicht offiziell zu ihr bekannten. Die Kommunistische Partei (PCF), die während des Kalten Krieges im politischen Spektrum Frankreichs eine zentrale Rolle spielte, vertrat die Meinung, die DDR sei das „bessere Deutschland“. 1990 jedoch fühlte François Mitterrand sich seinen kommunistischen Bündnispartnern gegenüber nicht mehr verpflichtet. Die PCF und die Gaullisten waren diejenigen, die den Gedanken an eine Wiedervereinigung Deutschlands am heftigsten ablehnten – die Kommunisten aus dem genannten Grund und die Gaullisten wegen ihrer Angst vor einem wiedererstarkten Deutschland in Europa.

Mitterrand war zunächst durchaus misstrauisch gegenüber Helmut Kohl – und Kohl gegenüber Mitterrand ebenso. Offenbar waren sich aber beide einig, dass ein Moment gekommen war, der das europäische Einigungswerk nur voranbringen konnte. Der Historiker Paul Maurice (IFRI) erinnert daran, dass es Mitterrand war, der mit Blick auf die deutsche Wiedervereinigung den Satz prägte: „Die Geschichte zieht mit der Geografie gleich.“ Mitterrand widerstand seinen bainvilleschen Regungen und nahm seine historische Rolle wahr, indem er in Frankreich die deutsche Wiedervereinigung als Meilenstein für ein erweitertes und gestärktes Europa darstellte – für ein Europa zum Wohl aller, in dem nationale Interessen sich in den Dienst eines gemeinsamen Ziels stellen.

Mitterrand und Kohl waren das letzte deutsch-französische Führungsduo mit Symbolkraft. Chirac und Schröder hatten einen holprigen Start, vor allem mit dem berühmt-berüchtigten Europäischen Rat von Nizza im Dezember 2000, der in der Folge den Grundstein für eine vertiefte deutsch-französische Zusammenarbeit legte, unter anderem bei der EU-Erweiterung, der Landwirtschaft und der gemeinsamen ablehnenden Haltung gegenüber dem Irak-Krieg 2003.

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Paul Maurice ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa) am Ifri.

 

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Schlüsselwörter
Deutsch-französische Beziehungen Deutsche Europapolitik deutsche Wiedervereinigung François Mitterrand Helmut Kohl Vertrag von Maastricht Deutschland Europa Frankreich