Publié le 27/01/2017

Eric BONSE

Die britische Entscheidung für den Brexit trifft Deutschland und die Europäische Union zu einem kritischen Zeitpunkt. Sie verschärft die „Polykrise“ der letzten Jahre und wirft brisante Fragen auf: Wie soll die EU ohne Großbritannien aussehen? Was ist das Ziel, die „Finalität“, der europäischen Einigung? Und welche Rolle soll Deutschland künftig spielen? 

Die Bundesregierung in Berlin ist auf diese Fragen bisher eine Antwort schuldig geblieben. Sie möchte die Stellung Deutschlands als ausgleichende „Macht in der Mitte“ konsolidieren und die damit verbundenen Vorteile bewahren. Gleichzeitig schreckt sie aber vor einem Neustart oder Umbau der Union zurück und bremst alle Initiativen in diesem Sinne aus.

Nur im Bereich der Sicherheitspolitik ist Deutschland, gemeinsam mit Frankreich, zu einer engeren Zusammenarbeit bereit. In den meisten anderen Politikfeldern wehrt sich Berlin jedoch gegen „mehr Europa“. Dies gilt insbesondere für die Wirtschafts- und Währungsunion, wo sich sogar neue Konflikte um die künftige Governance abzeichnen.

Für Deutschlands Partner wirft dies neue Probleme auf. Zwar bemüht sich Berlin wieder mehr um Einheit. Andererseits ist die Bundesregierung aber bestrebt, aus dem Brexit keine (voreiligen) Schlüsse zu ziehen und keine Entscheidungen zu treffen, die Bindewirkung entfalten könnten. Damit bleibt die EU in einer prekären Lage ohne klare Perspektive.

 

Eric Bonse ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Journalist. Korrespondent in Frankreich von 1994 bis 2001 arbeitet er heute als EU-Korrespondent in Brüssel für deutsche und internationale Medien mit Schwerpunkt Wirtschaftspolitik und Eurokrise. 

 

Diese Publikation ist auch auf Französisch verfügbar: "L’Europe après le Brexit : positions et perspectives allemandes [1]"