12
Feb
2024
In den medien Das Ifri in den Medien
AFD-Flaggen, Burgdorf, Deutschland - 30. Juni 2023
Jeanette SÜẞ, interviewt von Luis Jachmann für ZDF

Distanz zur AfD: Wie ernst meint es Le Pen?

Das Potsdamer Geheimtreffen schlägt auch in Frankreich hohe Wellen. Le Pen distanziert sich. Was das für die Beziehung zwischen AfD und den französischen Rechtspopulisten bedeutet.

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Die Reaktion kam spät, fiel dann aber überraschend scharf aus. Marine Le Pen sei "komplett gegen den Vorschlag". Die Rede ist von den Massenvertreibungsplänen, die Rechtsextreme, darunter AfD-Politiker, im November 2023 in Potsdam diskutierten. Marine Le Pen, die Galionsfigur des Rassemblement National (RN), drohte infolgedessen mit einem Ende der Zusammenarbeit zwischen AfD und RN.

 

AfD und RN: Politische Gemeinsamkeiten

 

Doch die Parteien haben durchaus Schnittmengen: "Beide bedienen sich sehr stark einer Anti-Establishment-Rhetorik. Sie lehnen also das gängige Parteiensystem, die jetzige Einwanderungspolitik und den Zustand der Europäischen Union ab", sagt Jeanette Süß im ZDF-Gespräch. Sie forscht zu Europapolitik am Institut für Internationale Beziehungen (Ifri) in Paris.
AfD und RN arbeiten seit Jahren zusammen. Im EU-Parlament sitzen Abgeordnete beider Parteien vom extrem rechten Rand in derselben Fraktion. Süß sieht Anzeichen dafür, dass sie sich programmatisch aber zunehmend unterscheiden: "Der RN wollte anfangs aus der Europäischen Union aussteigen. Das ist jetzt komplett vom Tisch. Bei der AfD werden jetzt auch wieder Stimmen laut, die einen "Dexit" fordern". Etliche Fachleute warnen vor dramatischen Folgen bei solch einem Schritt.

 

Wählerpotential des Rassemblement National wächst

 
Beide Parteien sind bisher weder regional noch national an einer Regierung beteiligt. Doch Marine Le Pen war ihrem Ziel schon zum Greifen nah: Bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich scheiterte sie zwei Mal erst in der Stichwahl gegen Emmanuel Macron. Und der RN scheint aus Fehlern gelernt zu haben. Die Zahl potenzieller Wählerinnen und Wähler, so zeigen es Meinungsumfragen, ist gewachsen.

 

Marine Le Pen spricht zunehmend Mittelschicht an

 
"Le Pen zielt darauf ab, noch stärker die Mittelschicht anzusprechen. Das erklärt auch, warum sie sich von der Idee eines Austritts Frankreichs aus der EU distanziert hat. Denn diese Wählergruppe möchte das nicht", sagt Politikwissenschaftler Christian Lequesne.
In ihrem Kernthema weicht sie keinen Schritt zur Seite: einer strengen Migrationspolitik. Doch nach außen bemüht sie sich, einen gemäßigten Ton anzuschlagen. Was ihr bei dieser Strategie in die Karten gespielt hat: In Frankreich kann sie sich gegenüber Mitstreitern am rechten Rand als gemäßigter darstellen.

 

Éric Zemmour: Mitstreiter am rechten Rand

 
Denn bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2022 betrat mit Éric Zemmour ein Kandidat die politische Bühne, der mit fremdenfeindlichen Parolen nicht sparte, etwa über muslimische Einwanderung. Frankreich stünde kurz vor einem bedrohlichen Bevölkerungsaustausch. Völkisch-identitäre Töne, die man auch von Björn Höcke kennt.
In Deutschland hatte Zemmour, Le Pens direkter Kontrahent am rechten Rand, in Maximilian Krah einen Sympathisanten, der für ihn warb. In diesem Jahr ist Krah Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl.
  • Ein Ärgernis für Le Pen, die inzwischen auf eine "geglättete Rhetorik setzt", meint Politologin Süß. Der Rassemblement National wolle verhindern, die in den letzten Jahren dazugewonnenen bürgerlichen Schichten zu verlieren.

AfD gewinnt in Prognosen dazu

 
Ein zu radikaler Kurs im Europaparlament könne den RN national in die Bredouille bringen. Denn in Paris inszeniert sich die Partei als konstruktiver Widersacher Macrons. Im Parlament war ein Misstrauensantrag der linken Opposition gegen die Einwanderungsreform von Macron zuletzt nur erfolgreich, weil Le Pens Fraktion diesen unterstützte. Als die Regierung die Reform nachschärfte, hob der RN seine Blockade auf und stimmte dafür.
Die AfD dagegen scheint sich immer weiter zu radikalisieren, warnen Kritiker. Für die Zusammenarbeit beider Parteien in Brüssel und Straßburg sind das nicht die besten Vorzeichen.
  • Aber die Zugkraft des deutschen Partners bleibt verlockend: "In den aktuellen Prognosen dürfte die AfD von neun auf 20 Abgeordnete im EU-Parlament kommen", sagt Süß.

Europas Rechtspopulisten und die Europawahl

 
Und so dürfte die bevorstehende Europawahl, aller programmatischen Unterschiede zum Trotz zusammenschweißen. Angesprochen auf das Potsdamer Geheimtreffen bezeichnete ein Pressesprecher von Maximilian Krah die Enthüllungen "als ein Missverständnis". Vier Monate vor der Europawahl ist die AfD damit beschäftigt, die Wogen zu glätten. Zumindest in den eigenen Reihen. Ob der RN über den Juni hinaus noch dazugehört, bleibt abzuwarten.
 
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