Internationale Perspektiven auf Deutschlands Nationale Sicherheitsstrategie. Der Blick von außen


- Andrea Rotter, Referatsleiterin Außen- und Sicherheitspolitik, Akademie für Politik und Zeitgeschehen (HSS), "Der Nationalen Sicherhetisstrategie fehlt es an Klarheit und Umsetzungsperspektiven - für die Strategiefähigkeit Deutschlands ist sie dennoch ein moderater Schritt in die richtige Richtung."
[...]
- PD Dr. habil. Markus Kaim, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), „Viele Hauptstädte in der Welt werden sich über den Text gebeugt und nach Anzeichen eines deutschen Gestaltungswillens gesucht haben – viel werden sie nicht gefunden haben“.
[...]
Marie Krpata, Institut français des relations internationales (Ifri), Paris
„Positiv ist, dass der Erweiterung der EU eine besondere geopolitische Bedeutung zukommt“.
Nach dem Weißbuch von 2016 mit Fokus auf Verteidigungspolitik, ist nun die lang erwartete Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) mit breiterem Ansatz veröffentlicht worden. Der gesamtheitlichen Ambition wird die NSS mit einer Aufteilung in „Wehrhaftigkeit“, „Resilienz“ und „Nachhaltigkeit“ gerecht, indem Verteidigungs-, Wirtschafts- und Umweltaspekte gleichermaßen dem Begriff der Sicherheit zugeschrieben werden.
Positiv anzumerken ist, dass Landes- und Bündnisverteidigung als Priorität eingestuft werden, und dass das Zwei-Prozent-Ziel bei Verteidigungsausgaben festgeschrieben wurde. Zu bemängeln ist allerdings die vage Formulierung, zumal die NATO dieses Ziel als Untergrenze betrachtet.
Die Erwähnung Russlands als „größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum“ entspricht Deutschlands Haltung zu Russland seit der Zeitenwende. Die sich daraus ergebende Herausforderung, eine neue europäische Sicherheitsordnung aufzubauen, wird in den nächsten Jahren zu einer der Hauptaufgaben Europas. Um bei den Herausforderungen zu bleiben, die die internationale Gemeinschaft wohl zunehmend zu meistern haben wird, und die die NSS auch zurecht hervorhebt, wäre zudem das wachsende Risiko der nuklearen Proliferation zu nennen.
Kein Nationaler Sicherheitsrat
Positiv ist des Weiteren anzumerken, dass der Erweiterung der EU eine besondere geopolitische Bedeutung zukommt: Europas Sicherheit und Stabilität können nur dann gewährleistet werden, wenn auch unsere unmittelbaren Nachbarn von einer engeren Einbindung und greifbaren europäischen Zukunftsaussichten profitieren.
Kritischer zu betrachten ist der Verzicht auf die Bildung eines lange diskutierten Nationalen Sicherheitsrats zur besseren Antizipation und Koordinierung von Krisenfällen.
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft China. Zwar wird China mit einer gewissen Skepsis begegnet: Obwohl ein unabdingbarer „Partner“ bei globalen Herausforderungen, ist China auch „Wettbewerber“ und „Rivale“, der sich immer mehr seiner Wirtschaftskraft bedient, um politische Ziele zu erreichen. Inwieweit dieses wachsende Bewusstsein allerdings in Taten umgesetzt wird, ist fraglich. Die geplante Chinastrategie, wird daher – auch angesichts der chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen – mit Spannung erwartet.
[...]
- Dr. Łukasz Kulesa, Polish Institute of International Affairs (PISM), Warschau, „Die vielleicht größte Schwäche der NSS ist das Ausblenden der bilateralen und minilateralen Sicherheitspartnerschaften Deutschlands in Europa – abgesehen von Frankreich.“
[...]
- Peter Rough, Hudson Institute, Washington, D.C., „Die Nationale Sicherheitsstrategie setzt sich nicht mit der Möglichkeit auseinander, dass wir in eine Ära der sino-amerikanischen Bipolarität eintreten, in der Staaten gezwungen sind, sich zu entscheiden.“
[...]
- Minna Ålander, Finnish Institute for International Affairs (FIIA), Helsinki, „Eine richtige Strategie würde nicht nur das Was, sondern auch das Wie näher erläutern. An vielen Stellen stellt sich die Frage: aber wie?“
[...]
>> Dieser Artikel ist auf der Website der Hanns-Seidel-Stiftung.
Verwandte Zentren und Programme
Weitere Forschungszentren und ProgrammeMehr erfahren
Unsere VeröffentlichungenDie „Huawei-Saga 2.0“ – Europa und Deutschland zwischen Abhängigkeit und Souveränität
Zwar bemühte sich die Europäische Union mit ihrem „5G-Werkzeugkasten“ um eine koordinierte Reaktion beim Ausbau der 5G-Infrastruktur in Europa, doch gingen die Mitgliedstaaten bei der Abwägung politischer, wirtschaftlicher und technologischer Interessen deutlich auseinander. Deutschland – trotz seiner engen wirtschaftlichen Verflechtungen mit China und seiner Rolle als größter Telekommunikationsmarkt Europas – kam erst im Juli 2024 zu einer vagen Einigung, die weitgehend symbolischen Charakter trägt.

Mercosur: Zum Tango gehören immer zwei
„Mercosur (…) darf nicht an Frankreich scheitern“, sagte Friedrich Merz Anfang Dezember. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, antwortete wenige Tage später Emmanuel Macron. Worum es dabei geht und was auf dem Spiel steht, erklärt Marie Krpata.
Die Deutsch-Französische Brigade und der Wiederaufbau der europäischen Verteidigung
Seit Donald Trumps Rückkehr ist klar: Das europäische Einigungsprojekt ist existenziell gefährdet. Gelingt es den Europäern angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine und schwindenden US-Sicherheitsgarantien nicht, verteidigungspolitisch souverän zu werden, werden die Integrationsbereitschaft im Inneren und die Attraktivität der EU nach außen weiter erodieren.
Friedrich Merz und die „Zeitenwende 2.0“: eine „neue Ära“ für die transatlantischen Beziehungen?
Am 23. Februar 2025 waren fast 60 Millionen Wähler aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Diese Wahlen werden auch eine neue Regierung in der größten Volkswirtschaft Europas hervorbringen.