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Mercosur: Zum Tango gehören immer zwei

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„Mercosur (…) darf nicht an Frankreich scheitern“, sagte Friedrich Merz Anfang Dezember. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, antwortete wenige Tage später Emmanuel Macron. Worum es dabei geht und was auf dem Spiel steht, erklärt Marie Krpata.

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Protest vor dem EU-Hauptquartier gegen die Gemeinsame Agrarpolitik der EU am 8. Dezember 2020 in Brüssel, Belgien.
Protest vor dem EU-Hauptquartier gegen die Gemeinsame Agrarpolitik der EU am 8. Dezember 2020 in Brüssel, Belgien.
Alexandros Michailidis/Shutterstock.com
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„Wir können nicht auf Dauer die höchsten Umwelt- und Sozialstandards haben, weniger investieren als unsere Wettbewerber, eine naivere Handelspolitik betreiben als sie und dann glauben, wir könnten weiter Arbeitsplätze schaffen. […] [D]as Risiko besteht darin, dass Europa den Anschluss verliert.“ So beschrieb Emmanuel Macron in seiner Europarede am 25. April 2024 das europäische Trilemma zwischen einer großzügigen Sozialpolitik, einer ehrgeizigen Umweltpolitik und einem offenen Wirtschaftsmodell. Angesichts der zunehmenden Spannungen auf geopolitischer und geoökonomischer Ebene läuft die EU Gefahr, Opfer der Auswirkungen wachsenden Protektionismus, unlauterer Praktiken und einer zunehmenden Politisierung des Handels zu werden. Deutschland, das in den letzten Jahrzehnten einer der großen Gewinner der Globalisierung war, ist davon überzeugt. Die Unterstützung für den Abschluss von Handelsabkommen, insbesondere des Mercosur, ist hier groß. Das geht deutlich aus der Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Europäischen Parlament am 9. Mai 2023 oder dem kürzlich vorgestellten Koalitionsvertrag von CDU-CSU und SPD hervor.

Die Länder des Mercosur sind interessante Partner wegen der kritischen Mineralien, die die EU für ihren grünen und digitalen Wandel benötigt und die sie zurzeit hauptsächlich aus China bezieht. Die beiden größten europäischen Volkswirtschaften, Deutschland und Frankreich, sind sich jedoch uneinig. „We agree to disagree“, fasste der ehemalige Premierminister Gabriel Attal bei seiner Reise nach Berlin im Februar 2024 zusammen. Die Covid-19-Pandemie und der Krieg gegen die Ukraine haben zwar deutlich gemacht, dass die EU ihre Abhängigkeiten durch Diversifizierung ihrer Bezugsquellen und Absatzmärkte verringern muss. Die Verhärtung der transatlantischen Beziehungen unter der zweiten Regierung von Donald Trump bestätigt dies; doch derzeit gehen die Meinungen Frankreichs und Deutschlands zu dem Freihandelsabkommen EU-Mercosur auseinander.

Die Karten werden neu gemischt  

Der internationale Handel wird durch die von Donald Trump angekündigten Maßnahmen auf den Kopf gestellt. Die USA sind zwar die größte Volkswirtschaft der Welt, aber auf sie entfallen nur 13 % der weltweiten Warenimporte. Sie können die Globalisierung nicht allein stoppen; aber angesichts ihres Gewichts dürften Washingtons Entscheidungen zur Einführung von Zöllen eine Neuordnung der Lieferketten verursachen. Die Politik der USA wird von der Politik des America First dominiert, die Trump schon 2017 vor den Vereinten Nationen vertreten hatte. Während des Wahlkampfs im Juli 2024 sagte J.D. Vance: „Wir machen Schluss damit, die Lieferketten einem grenzenlosen Welthandel zu opfern, und wir werden immer mehr Produkte mit dem schönen Etikett Made in the USA versehen“. Washington vollzieht also gerade eine entschieden protektionistische und nationalistische Wende.

Es fühlt sich gegenüber seinen Handelspartnern wegen deren Handelsbilanzüberschüssen benachteiligt und beabsichtigt, einen Teil der industriellen Produktion und der Arbeitsplätze in die Vereinigten Staaten zurückholen. Die Globalisierung, von der Amerikas großer Konkurrent und Systemrivale China profitiert und die im Rust Belt und anderen amerikanischen Regionen nur Verlierer kennt, soll nun ein Ende haben. Durch das Made in China 2025 und die Dual-Circulation-Strategie strebt China eine höhere Wertschöpfung im eigenen Land an, um seine Verwundbarkeit gegenüber Drittstaaten zu verringern. Peking nutzt die Abhängigkeit anderer Staaten als Hebel, um den Druck auf einige seiner Handelspartner zu erhöhen, indem es beispielsweise den Export von Gallium, Germaniumund Graphiteinschränkt oder sogar verbietet. Die USA und China erweisen sich für die EU als immer weniger verlässlich, so dass sie sich anderen Weltregionen zuzuwenden versucht.

Gesucht: eine konzertierte Handelspolitik

Ein Abkommen zwischen der EU und den Ländern des Mercosur würde eine der größten Freihandelszonen der Welt schaffen (750 Millionen Einwohner und 20 % der Weltwirtschaft). Es würde die Absatzmöglichkeiten für Made in Europe vervielfachen und gleichzeitig die EU näher an eine Region heranführen, die eines der größten bekannten Lithiumvorkommen der Welt beherbergt. Der Mercosur hofft zugleich, die Produkte seiner Landwirtschaft und Viehzucht nach Europa exportieren zu können. Die EU ist ihrerseits bestrebt, ihre politischen Beziehungen zum Mercosur zu vertiefen, während China dort an Einfluss gewinnt. Für Olaf Scholz ist es in einer multipolaren Zeit, in der die Länder des „Globalen Südens“ zunehmend umworben werden, wichtig, den Dialog mit verschiedenen Regionalmächten zu suchen, zu denen er auch die lateinamerikanischen zählt.  Der zukünftige Bundeskanzler, Friedrich Merz, teilt diese Sichtweise: „Das weltweite Gleichgewicht verändert sich, und wir Europäer brauchen (neue Handelspartner) sehr schnell.“

 

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Marie Krpata ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Studienkomitees für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa) am französischen Institut für internationale Beziehungen (Ifri). 


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Marie Krpata

Intitulé du poste

Research Fellow, Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa) am Ifri

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Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa)
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Das Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa) wurde 1954 durch eine zwischenstaatliche Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich gegründet, um die Kenntnisse über Deutschland in Frankreich zu vertiefen und die deutsch-französischen Beziehungen, einschließlich ihrer europäischen und internationalen Dimensionen, zu analysieren. Durch seine Konferenzen und Seminare, die Experten, politische Entscheidungsträger, hochrangige Funktionäre und Vertreter der Zivilgesellschaft beider Länder zusammenbringen, fördert das Cerfa die deutsch-französische Debatte und regt politische Vorschläge an. Es veröffentlicht regelmäßig Studien in zwei Reihen: den « Notes du Cerfa » und den « Visions franco-allemandes ».

Das Cerfa unterhält enge Beziehungen zu deutschen Stiftungen und Think Tanks. Neben seiner Forschungs- und Debattenarbeit fördert das Cerfa die Entstehung einer neuen deutsch-französischen Generation durch originelle Kooperationsprogramme. So führte das Cerfa 2021-2022 ein Programm über Multilateralismus in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Paris durch. Dieses Programm richtete sich an junge Fachkräfte aus beiden Ländern, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeiten für die Herausforderungen des Multilateralismus interessieren. Es umfasste eine breite Palette von Themen im Zusammenhang mit Multilateralismus, wie internationalen Handel, Gesundheit, Menschenrechte und Migration, Nichtverbreitung und Abrüstung. Zuvor hatte das Cerfa am deutsch-französischen Zukunftsdialog teilgenommen, der von 2007 bis 2020 gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung geleitet wurde, sowie an der Gruppe Daniel Vernet (ehemals Deutsch-Französische Reflexionsgruppe), die 2014 auf Initiative der Stiftung Genshagen gegründet wurde.

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