21
Nov
2021
In den medien Das Ifri in den Medien
Marc-Antoine EYL-MAZZEGA, interviewt von Friederike Hofmann im Weltspiegel auf Das Erste

Frankreich: Atomkraft, ja bitte!

Frankreich setzt auf Atomkraft. Laut Präsident Emmanuel Macron ist nur so die Klimaneutralität bis 2050 möglich. Eine neue Generation von Reaktoren soll den Ausbau der Atomenergie vorantreiben.

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Das Seebad Dieppe in der Normandie. Urlaubsort – mitten im Kerngebiet der französischen Atomkraft."Seit Jahren gibt es Kernkraftwerke hier. Ich hab da nie ein Problem mit gehabt", sagt Daniel Rovnanik. Das Atomkraftwerk Penly ist nur gut zehn Kilometer entfernt. "Wir haben niemals Angst gehabt, nein", fügt Philippe Tessal hinzu.

Bald sollen in der Nähe der Stadt neue Reaktoren entstehen. "Das ist gut, das bringt die Region weiter", sagt Gaël Meunet. Gegner:innen von Atomkraft gibt es hier kaum.

Ein Ort für neue Reaktoren

Der Diepper Unternehmer Patrice Gault auf dem Weg durch eine seiner Produktionshallen. Seine Firma stellt Bauteile für die Industrie her. Als Chef des Unternehmerverbandes 'Meca Energies' hat er jahrelang für den Ausbau der Atomkraft in der Region gekämpft. Die neue Atomstrategie der französischen Regierung ist für ihn ein Schritt in die richtige Richtung: "Wir gehen davon aus, dass wir zwei neue Reaktoren bekommen. Das ist wichtig für unsere Region. Für das gesamte wirtschaftliche Leben hier."

Ihn freut, dass seine Region vom Stromanbieter EDF für den Neubau von Reaktoren ausgewählt wurde. "Wir haben hier in der Gegend ganz viel Know-How. Wir haben jahrelang mit ihnen darauf hingearbeitet. Ich glaube, das hat sie letztendlich überzeugt. Und hier herrscht eine politische und gesellschaftliche Einigkeit über Atomkraft", erzählt der Unternehmer.

Das Kernkraftwerk Penly ist seit 1990 am Netz. Jetzt könnte es der erste Standort für moderne Druckwasserreaktoren werden – ein Pfeiler der neuen französischen Atomstrategie. Gerade hat Präsident Macron hat neues, grünes Zeitalter der Atomkraft angekündigt. "Um die Energieunanhängigkeit Frankreichs zu garantieren, die Versorgung sicherzustellen und um unsere Klimaneutralität 2050 zu erreichen, werden wir, zum ersten Mal seit Jahrzehnten, neue Reaktoren in unserem Land bauen."

Atomkraft – Frankreichs Weg zur Klimaneutralität

Etwa eine Milliarde Euro will er in neue Atom-Technologien und die weitere Entwicklung kleiner, modularer Reaktoren investieren. Sein Kalkül: Kernenergie ist für ihn CO2-neutraler Strom und somit eine Chance für das Klima. Und: ein Mittel, um Frankreich politisch unabhängig zu machen. "Man nimmt Atomstrom als einen strategischen Teil der französischen Souveränität wahr. Das heißt, man möchte einen dekarbonisierten Strom herstellen, der von französischen Unternehmen zu 100 Prozent hergestellt wird. Wir sind in einem in einer enormen Rivalität zu China, zu den USA, aber auch zu Japan und anderen und besonders auch zu den Russen", sagt Energieforscher, Marc-Antoine Eyl-Mazzega.

Die Nuklearindustrie ist mit 200.000 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Frankreich. Im Kernkraftwerk Penly arbeiten bisher mehr als 1000 Menschen. Der Abgeordnete der Nationalversammlung Sébastian Jumel hat jahrelang auf den Ausbau von Penly hingearbeitet: "Ich glaube, das wird die Wirtschaft hier in meiner Region anheizen. Wir reden von 10.000 Arbeitsplätzen während der Bauzeit und 750 die dauerhaft entstehen." Atomstrom ist für ihn ein Mittel, Frankreichs CO2-Bilanz zu verbessern und die Energiepreise im Zaum zu halten. Die Risiken hält er für beherrschbar: "Es gibt keine Industrieproduktion ohne Risiko. Die Frage ist, dass wir sicherstellen, das Risiko möglichst minimal zu halten – und maximal zu kontrollieren. Damit können wir Risiken möglichst ausschließen."

Unternehmerpräsident Patrice Gault auf dem Weg zum Kraftwerk. Nicht nur hier in den Orten in der Region, sondern in ganz Frankreich gehöre Atomkraft einfach dazu, sagt er. Den Atomausstieg in Deutschland kann er nicht verstehen. "Vielleicht hat man Atomkraft in Deutschland einfach nicht gut genug erklärt, dass das eine saubere Energie ist. Ich glaube, das ist es einfach, es gab keine gute Kommunikation – und dann wurde viel zu schnell eine Entscheidung getroffen", sagt er.

Direkt am Kraftwerk Penly gibt es einen Sandstrand, Patrice Gault kommt häufiger hierher.  Für ihn ist der Ausbau eine Investition in die Zukunft der Region: "Wir hoffen, dass die Verträge jetzt ganz schnell unterzeichnet werden. Wir warten einfach schon sehr lange."

Er hofft, dass der Neubau der Reaktoren so schnell wie möglich losgeht.

Autorin: Friederike Hofmann/ARD Studio Paris

 

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